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Innovation findet dann schon einen Weg Februar 2025

Das chinesische KI-Unternehmen DeepSeek hat weltweit Aufmerksamkeit erregt, da es KI-Modelle entwickelt hat, die mit denen führender US-Unternehmen konkurrieren oder sie übertreffen. Diese Leistung gelang trotz hardwarebedingter Einschränkungen durch innovative Algorithmen und effiziente Ingenieurslösungen. In den USA wird diese Entwicklungen als Bedrohung empfunden, insbesondere hinsichtlich der nationalen Sicherheit und der technologischen Vorherrschaft. Der Zugang zu DeepSeek-Technologien wurde im Pentagon und bei der NASA gesperrt, und ein Senator schlug sogar Haftstrafen für das Herunterladen von DeepSeek-Software vor. DeepSeek zeigt jedoch, dass Innovationen widerstandsfähig und anpassungsfähig sind. Der Erfolg des Unternehmens verdeutlicht die Grenzen der US-Technologieblockade. So versuchen die USA etwa, Chinas KI-Entwicklung durch Chip-Exportbeschränkungen zu verlangsamen, insbesondere durch den Zugang zu Nvidias Hochleistungschips wie dem H100. DeepSeek hat jedoch gezeigt, dass technologische Innovation nicht allein von Hochleistungshardware abhängt. Durch optimierte Algorithmen und effizientes Ressourcenmanagement hat das Unternehmen fortschrittliche KI-Modelle auf leistungsbeschränkter Hardware entwickelt und gleichzeitig die Kosten gesenkt. Dies unterstreicht, dass Innovation auch durch Algorithmenoptimierung, verbesserte Recheneffizienz und Open-Source-Technologien erreicht werden kann. Die US-Strategie zur Eindämmung chinesischer Spitzentechnologie basiert auf einem 'Kalte-Kriegs-Denken', das davon ausgeht, dass technologische Blockaden und Ressourcenbeschränkungen den Aufstieg Chinas verhindern können. Diese Strategie übersieht jedoch zwei wichtige Punkte: Erstens ist China tief in die globale Wirtschaft integriert und verfügt über ein grosses Reservoir an technischem Fachpersonal. Zweitens ist die globale Technologielandschaft heute komplexer und schwerer zu kontrollieren als je zuvor. China ist vermutlich der grösste Produzent von Daten und der grösste Internetmarkt, was es Unternehmen ermöglicht, Schlüsseldaten für KI-Training zu sammeln. Dieser endogene Kreislauf aus Markt und Technologie bietet langfristige Impulse für die KI-Innovation. Der Versuch, die technologische Entwicklung durch Hardwarebeschränkungen einzudämmen, inspiriert genau zum Gegenteil, da Innovation eine fast zwingende Folge von Beschränkungen ist. Innovation zeichnent sich genau dadurch aus, dass sie immer einen Weg findet.

Über die Thukydides-Falle Januar 2025

Die in der gegenwärtigen Debatte oft bemühte Metapher der „Thukydides-Falle“ verweist auf ein scheinbar unausweichliches Konfliktpotenzial zwischen einer aufstrebenden Macht und einem etablierten Hegemon. Basierend auf den Analysen des antiken Historikers Thukydides zum Peloponnesischen Krieg zwischen Athen und Sparta wird diese Vorstellung heute gern herangezogen, um die Rivalität zwischen den Vereinigten Staaten von Amerika und der Volksrepublik China als quasi zwangsläufig gewalttätig darzustellen. Eine derart deterministische Auslegung wird dem Werk Thukydides’ jedoch nur unzureichend gerecht und bedarf einer sorgsamen Relativierung, um den Gehalt seiner historischen Lehre adäquat zu würdigen. Thukydides untersuchte den Ausbruch des Peloponnesischen Krieges nicht bloss als unvermeidliches Ereignis, sondern als Resultat menschlicher Entscheidungen, Missverständnisse und sich gegenseitig verstärkender Macht- und Angstdynamiken. Zwar schrieb er, der Krieg sei „unvermeidlich“ gewesen, doch bezog sich diese Unvermeidlichkeit eher auf die Summe damaliger Handlungsweisen, psychologischer Faktoren (wie Furcht und Ehrgeiz) und aussenpolitischer Strategien, die in ihrer Gesamtheit keinen Ausweg mehr zuliessen. Diese Deutung legt nahe, dass alternative Pfade – gerade durch überlegte Diplomatie und Fehleinschätzungen vermeidende Kommunikation – durchaus realisierbar gewesen wären, hätten die Akteure die Dringlichkeit einer Konfliktbegrenzung frühzeitig erkannt. Im gegenwärtigen Diskurs hat insbesondere der Politikwissenschaftler Graham Allison dazu beigetragen, den Begriff „Thukydides-Falle“ zu popularisieren, indem er den Peloponnesischen Krieg als archetypisches Beispiel für die strukturelle Rivalität zwischen einer etablierten und einer aufstrebenden Macht heranzieht. Dabei entsteht leicht der Eindruck einer zwangsläufigen und nahezu naturgesetzlichen Kausalität, wonach ein aufkommender Konflikt kaum zu verhindern sei. Viele folgen dieser Sichtweise und fokussieren sich damit stark auf die makrostrukturellen Bedingungen – sprich: die wachsende wirtschaftliche und militärische Stärke Chinas gegenüber den USA – während sie den Einfluss konkreter politischer Entscheidungen, Kommunikationsbemühungen, diplomatischer Institutionen sowie wechselseitiger ökonomischer Abhängigkeiten nicht nur vernachlässigen, sondern viel eher absichtlich missbrauchen. In dieser reduzierten Form wird Thukydides’ Botschaft verkürzt und – bewusst? – missverstanden. Der antike Autor betonte vielmehr die Komplexität politischer Prozesse und die Bedeutung menschlicher Faktoren: Angst, Ehre, Misstrauen und Stolz sind ebenso entscheidend wie strategische Überlegungen. Anstatt einen unvermeidlichen Konflikt zu postulieren, demonstrierte Thukydides, wie der Mangel an Vertrauen und die wechselseitige Auslegung von Machtansprüchen zum Krieg führten – ohne dabei jede Option auf eine konfliktmindernde Politik von vornherein auszuschliessen. Eine sorgfältigere Rezeption in Thukydides’ Sinne würde daher auf die Frage lenken, unter welchen Bedingungen Grossmächte trotz wachsender Konkurrenz koexistieren können und wie Missverständnisse abgebaut, Verhandlungen gefördert und aussenpolitische Eskalationen vermieden werden können. Statt Thukydides als Propheten unausweichlicher Kriege zu deuten, erscheint es angemessener, ihn als Mahner zu verstehen: Die Möglichkeit, Konflikte durch weitsichtige Politik und eine kluge Ausbalancierung von Interessen zu entschärfen, ist vorhanden – wenn die beteiligten Akteure rechtzeitig zur Einsicht gelangen, dass Krieg nicht der Endpunkt einer „Falle“ ist, sondern das Ergebnis einer von Menschen gestalteten, jederzeit veränderbaren Entwicklung.

Kleine Übersicht 19.1.2024

Soeben habe ich den viertausendsten Kilometer mit der Eisenbahn in China hinter mich gebracht. Das ist nicht viel, weil die Züge mit hoher Geschwindigkeit unterwegs sind. Die meiste Zeit davon habe ich aus dem Fenster geguckt und die Gedanken vorbei schweifen lassen wie die Landschaften und Städte. Vermutlich stellen sich Eindrücke dieser flüchtigen Begegnung mit dem Land unmittelbar als Übersicht ein, und es schält sich etwas heraus, was man beschreiben kann. Die Hochgeschwindigkeitsstrecken sind durch das Land geflochten. Die Dichte des Geflechts entspricht der Dichte der Besiedlung. Die Strecken sind so gebaut, dass ein minimaler Kurvenradius von vier Kilometern eine durchgehend hohe Geschwindigkeit zulässt. Sie sind aus wenig verschiedenen, standardisierten Teilen gefertigt. Damit ist Übersicht auf eine technische Art gewährleistet. Die Infrastruktur der Bahn ist ein Referenzmassstab, in geometrischer, aber auch in formaler Hinsicht. Ist das Land unbesiedelt, wirkt es unberührt. Es gibt keine Forstwege oder andere Zeichen, die auf eine Nutzung schliessen lassen. In den Gegenden, durch die ich gefahren bin, entspricht unberührtes Land dichten, wuchernden Wäldern. Abschüssiges Terrain bleibt unberührt, an Hängen sieht man keine Häuser oder Äcker. Der Übergang zwischen genutztem oder bebautem Land und unberührtem Land ist scharf. Besiedeltes Land kündet sich in den Wäldern an, wenn Stromleitungen oder Antennenmasten aus den Wipfeln auftauchen. Man fährt durch einen der zahlreichen Tunnels und kommt plötzlich zwischen Hochhäusern heraus. Wenn das Land landschwirtschafltich genutzt wird, sind selbst kleinste Flächen in der Grösse einer Ar sorgfältig von Hand gepflegt. Äcker, die sich von grossen Maschinen pflegen liessen, habe ich kaum gesehen, dafür aber kleine Reisfelder, Obst- und Krautgärten. Die bewirtschaftete Landschaft hat eine gartenartige Lieblichkeit. In schweifenden Gedanken denkt man, ach, wie schön. Dörfer. Die Farbigkeit der Häuser ist protestantisch. Materialfarben, Weiss-, Grau- und Beigetöne bei Fassaden, Grauschwarz bei Dächern bestimmen den Farbkanon. Während bei uns das Land allmählich in Agglomeration übergeht, ist in China dieser Übergang zu harter industrieller Nutzung und riesigen Betonflächen, auf denen Kräne Hallen hochziehen, abrupt. Wo sich der Mensch breit macht, tut er dies ohne wenn und aber, macht sich deutlich; Wo nicht, hält er sich zurück und bleibt klein.

Welche „westlichen Werte“ werden eigentlich in der Ukraine verteidigt? August 2024

Leitartikel 'Che bella democrazia' von Marco Travaglio Das ukrainische Parlament hat die russisch-orthodoxe Kirche verboten und ihre Geistlichen gezwungen, sich innerhalb von neun Monaten der ukrainisch-orthodoxen Kirche anzuschliessen. Diese Kirche hatte sich 1992, nach der Unabhängigkeit von der Sowjetunion, vom Moskauer Patriarchat abgespalten, dem sie seit dem 17. Jahrhundert angehörte. Präsident Selenski feiert diese Massnahme als „unsere geistige Unabhängigkeit“, ohne Rücksicht darauf, dass ein Drittel der 71% ukrainischen Orthodoxen der russisch-orthodoxen Kirche angehört. Aber diese Menschen zählen offenbar nicht, ebenso wenig wie die grundlegenden Menschenrechte, die in der Ukraine zunehmend mit Füssen getreten werden. Doch was interessiert es die westlichen Regierungen? Schliesslich wird die Ukraine in Rekordzeit zum EU-Beitrittskandidaten erhoben und künstlich durch Milliardenhilfen am Leben gehalten, während die europäischen Behörden blind gegenüber den offensichtlichen Missständen bleiben. 2014 wurde der rechtmässige Präsident Janukowitsch durch einen Putsch gestürzt, nach dem der Oligarch Poroschenko, unterstützt durch Neuwahlen, an die Macht kam. Dieser ernannte prompt vier Neonazi-Minister und integrierte das neonazistische Asow-Bataillon in die Nationalgarde. Aber wer im Westen wollte das schon laut aussprechen? Schliesslich war Poroschenko ein Freund des Westens und somit per Definition ein „aufrichtiger Demokrat“. Als Poroschenko dann begann, russischsprachige Zivilisten im Donbass zu bombardieren, was in einem mörderischen Bürgerkrieg von 2014 bis 2022 zu 14.400 Toten führte, schwieg der Westen beharrlich. Die Abschaffung des Russischen als Amtssprache in einem Land, in dem ein Drittel der Bevölkerung Russisch spricht? Keine Empörung, denn die russischsprachige Bevölkerung ist ja schliesslich „Putins Angelegenheit“. Die grausamen Morde an 40 unliebsamen Journalisten durch Kiewer Truppen im Donbass, darunter der Italiener Andrea Rocchelli, wurden ebenso verschwiegen, denn der Westen hält unbeirrt an der Legende fest, dass nur Putin Journalisten ermorden lässt. Nach der russischen Invasion verbot Selenski elf Oppositionsparteien, liess den Führer der populärsten Partei verhaften und schloss Fernsehsender, die sich nicht dem offiziellen Narrativ anschlossen. Keine Proteste aus dem Westen, schliesslich kann man Kiew ja nicht mit Moskau vergleichen. Als dann ein ukrainisches Kommando (im der Version der Washington Post, ob man das glaubt, ist eine andere Frage) die russisch-deutschen NordStream-Gaspipelines zerstörte, schob man die Schuld reflexartig auf Moskau. Ebenso wurde die Ermordung von Darya Dugina, der Tochter eines prominenten Putin-nahen Philosophen in Moskau, sofort dem Kreml angelastet – als ob es nur einen Terroristen auf der Welt gäbe: Putin. Als Selenski schliesslich per Dekret Verhandlungen mit Moskau untersagte, verstummte auch hier jede Kritik, denn die NATO rüstet die Ukraine ja auf, um sie vermeintlich besser auf Verhandlungen vorzubereiten. Auch als tausende junge Ukrainer, die vor der Einberufung flohen, verhaftet wurden, hörte man keine Aufschreie. Schliesslich will der Westen glauben, dass diese jungen Männer begierig darauf sind, in einem von Anfang an verlorenen Krieg zu sterben. Selenskis Verschiebung der Wahlen, um an der Macht zu bleiben? Kein Wort darüber, denn die Ukraine wird weiterhin als „Demokratie“ hochgehalten. Als die Ukraine schliesslich in die russische Region Kursk einmarschierte, nannte man dies „Selbstverteidigung“ und „Friedensverhandlungen“. Doch die Wahrheit kam ans Licht: Kiew hatte die Verhandlungen in Doha sabotiert und Verteidigungsanlagen im Donbass demontiert, wodurch russische Truppen freie Bahn erhielten. Und nun, da Selenski auch noch die Religionsfreiheit abschafft, bleibt der Westen stumm. Der einzige, der die Kirche für politische Zwecke ausnutzt, so die westliche Propaganda, ist schliesslich Putin. Die Frage drängt sich auf: Welche „westlichen Werte“ werden eigentlich mit unserem Geld und unseren Waffen in der Ukraine verteidigt?

Kitschpolitik 'Hass' November 2023

Ein paar mühsame Überlegungen zur Weiterentwicklung der Neutralität Der Krieg in Palästina birgt so viel Offensichtlichkeit in sich, dass er sich gut eignet, die folgenden Gedanken darzulegen, die aber genauso anhand anderer aktueller Konflikte gemacht werden können. Aus zivilisatorischer Sicht ist der Krieg eine primitive Sache; Er löst weder Konflikte, noch schafft er Sicherheit. Aus ihm entsteht Hass, der wiederum zu mehr Krieg führt. Da er so auf sich selbst referiert, eskaliert er weit über menschliches Übel hinaus und erzeugt Leid, dass für Menschen, die noch nie einen Krieg am eigenen Leib erlebt haben, unvorstellbar ist. Die Erinnerung an dieses Leid verblasst mit dem Ableben der Generation, die Krieg erlebt hat. Die Erinnerung wachzuhalten, um dem Hass vorzubeugen, wird im Westen leider vernachlässigt. Treiber des Krieges ist die schwarz-weisse, vereinfachte und damit primitive Darstellung: Es gibt nur eine böse Partei - die anderen. Alles, was darüber hinaus differenzierter ist, muss unterdrückt werden, weil Differenzierung und Verständnis dem Hass die Grundlage entziehen und Krieg verunmöglichen würde. Pazifisten wird ihre Nähe zum oder ihr Verständnis für die 'Bösen' vorgeworfen, so lässt sich jedes Volk für den Krieg einspannen (vergl. letztes Interview mit Hermann Görings vor seinem Suizid, wir haben das in einem früheren Blogeintrag schon einmal gebracht). Für uns im Westen hat der Krieg in Palästina offiziell nur eine Ursache - der Angriff der Hamas - und wir wollen weder Geschichte noch Konfliktanalyse, um das zu verstehen. Wir müssen auch nicht mit unschuldig leidenden Menschen auf allen Seiten sympathisieren und mitfühlen - nur mit 'unserer' Seite. Alles, was wir brauchen, sind politisch korrekte Emotionen und Parteinahme - unabhängig davon, ob es das noch schlimmer macht und noch mehr unschuldige Menschen in den Tod treibt oder nicht. So erklärt die Ursula von der Leyen, dass "Europa an der Seite Israels steht" - aber welches Europa meint sie? Wurde sie jemals von Europa oder von den EU-Bürgern gewählt, um in deren Namen zu sprechen? Sie leistet damit aber auf jeden Fall einen Beitrag zu Gunsten des Kriegs. Dem Krieg zu dienen ist eine in Kauf genommene Folge intellektueller und moralischer Faulheit: Die Verurteilung und Verunmenschlichung des Gegners erfordert kein Wissen oder komplexes Verständnis, aber sie spricht die Gemüter an, die Erzeugung von Hass ist ein zynische Form von Kitschpolitik. Sie fördert den Tod Tausender auf allen Seiten und ist von Grund auf menschenverachtend, denn es gibt immer Möglichkeiten, sich für den Frieden zu engagieren. In der Ukraine stellt sich der Westen (NATO / EU-Länder, Japan und Korea) auf die Seite des Unterlegenen, der überfallen wurde. In Palästina stellt er sich auf die Seite Israels. Die Ukraine, als auch Israel („our largest American aircraft carrier in the world that cannot be sunk“ gemäss eines ehemaligen Staatssekretärs) sind Stellvertreter, mit denen die Vormacht der USA auf Kosten des Rests der Welt ausgefochten wird. Wenn Israels Besatzungs- und Vernichtungspolitik ihren Lauf genommen hat - kein Strom, keine Lebensmittel, kein Wasser, kein Treibstoff und vor allem keine Gnade, dazu die totale ethnische Säuberung und die Zerstörung von Wohngebieten - werden die Regierungen des Westens alles tun, um den Genozid mithilfe der Presse in eine Notwendigkeit, in ein das kleinst-mögliche, in Kauf zu nehmende Übel umzudeuten. Sie wüssten aber eigentlich jetzt schon, dass sie ihre Verantwortung im blutigen, moralischen Dilemma ertränkt haben, das sie selbst geschaffen haben. Doch anstatt sich aufrichtig zu bemühen, aus der primitiven Eskalationsspirale herauszukommen, wird der Westen einen neuen, noch grösseren Konflikt finden (China, Iran, Korea…), der die gegenwärtige politisch-moralische Katastrophe vertuscht. Seine Reaktion wird sein wie immer: mehr Waffen, kein Waffenstillstand, keine Vermittlung und keine Verhandlungen, weil man mit dem 'Bösen' nicht verhandelt. Militaristisches Denken schliesst aus Sicht des Westens Diplomatie aus. Wir machen nie Fehler, an unserem Wesen soll die Welt genesen. Da die Entscheidungsträger in den westlichen Hauptstädten in wirtschaftlicher, politischer, kultureller, diplomatischer und moralischer Hinsicht verloren haben, gibt es nur noch einen Ansatz - wie bei allen untergehenden Imperien in der Geschichte: Militarismus. Das bedeutet Massentötung und ethnische Säuberung. Man tötet die Menschen und nicht das Problem, das zwischen den Parteien die Gewalt überhaupt erst verursacht und weiter ungelöst bleibt. Was wir in den kommenden Wochen und Monaten im Nahen Osten an Gräuel erleben werden, lässt das Massaker von Srebrenica und den Krieg in der Ukraine quantitativ verblassen. Die westliche Aussenpolitik ist mit rationaler Analyse, politikwissenschaftlichem oder internationalem Denken nicht mehr zu verstehen. Wir brauchen Konzepte und Theorien aus der Psychologie und der Religion, um die Schuldzuweisungen, die Emotionalität, die psychopolitische Projektion, die Aufhebung der Unschuldsvermutung, die folgenschweren Unterlassungen, die Verleugnung, den Wiederholungszwang, die Paranoia, das Sündenbock-Denken, die Rache und die Aggression zu verstehen, die sich in der Politik der USA/NATO/EU-Länder in verschiedenen Varianten voll entfalten. Für die westlichen Aussenministerien, die staatlich finanzierte Forschung und die Mainstream-Medien sind daher Konfliktanalyse, Konfliktlösung, Vermittlung, Friedenssicherung, Verhandlungen und Versöhnung keine ernsthafte Priorität mehr. So düster die Situation derzeit erscheint, mit der Kenntnis dieser Mechanismen liesse sich der Teufelskreis auch einfach unterbrechen. Ich denke an John F. Kennedy, der mit seiner Rede die Kuba-Krise beendet hat – einer Rede, die strengenommen gar nicht an die eigene Bevölkerung gerichtet war, sondern eine Bekundung von Respekt und Verständnis an die Russen (Sowjetbürger) war. Die 'Bösen' sind auch Menschen, die ihre Kinder lieben. Das ist die Neutralität, die der Schweiz gut anstünde. Sie ist dauernd zu entwickeln. Sie ist nicht einfach statisch, sie erfordert stetige Arbeit und lässt intellektuelle und moralische Faulheit nicht zu. Sie ist die einzige Form, die das Potential hat, echten Frieden zu bringen.

Ohrenbetäubendes Schweigen März 2023

Mehr als vier Monate nach der Explosion der Nord Stream-Pipelines hat der Bericht des Investigativjournalisten Seymour Hersh, erneut die internationale Öffentlichkeit aufgewühlt. Der Bericht enthält Details darüber, wie die Geheimdienste die Sabotage auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden planten und wie die US-Marine die Bombardierung in Zusammenarbeit mit den norwegischen Streitkräften durchführte. Nach der Veröffentlichung des Berichts hat Washington diesen wenig überzeugend als ‚Fake News‘ dementiert. Die internationale Gemeinschaft muss Washington so lange auffordern, bis es eine überzeugende Erklärung abgibt. Der 85-jährige Sy Hersh ist ein berühmter, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Journalist. Vor über 50 Jahren gab sein Bericht, der das Massaker des US-Militärs an der vietnamesischen Zivilbevölkerung aufdeckte, der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA erheblichen Auftrieb. Er stand auch hinter der Untersuchung des berüchtigten Vorfalls der Misshandlung von Gefangenen in Abu Ghraib im Jahr 2003 und trug zur Aufdeckung des Watergate-Skandals bei, einem der schändlichsten politischen Skandale in der Geschichte Washingtons. Hershs jüngster Bericht ist weder mit Verschwörungstheorien in der öffentlichen Meinung vergleichbar, noch kann er vom 'kollektiven Westen' einfach so übergangen werden. Die Verdächtigungen gegen die USA sind nicht unerwartet, aber die Details, die aufgedeckt wurden, jagen einem immer noch einen Schauer über den Rücken. Hersh legt dar, dass Washington die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines bereits seit Ende 2021, lange vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, geplant hat. Und in den mehr als neun Monaten der Debatte ging es Washington nicht darum, ob die Pipelines gesprengt werden sollten, sondern wie man keine Beweise hinterlassen kann. Daher wurden die ausführenden Kräfte, der Zeitpunkt, der Ort und die Art und Weise der Explosion sorgfältig geplant. Wenn die Berichte in Hershs Artikel wahr sind, wird die Menschheit die Fähigkeit der USA, den Frieden zu stören, neu bewerten müssen. Die Explosion der Nord Stream-Pipelines, einer der wichtigsten transnationalen Energieversorgungsinfrastrukturen der Welt, war ein extremes Ereignis in der internationalen Politik. Die Nord Stream-Pipelines waren einst eine wichtige Energieverbindung zwischen Westeuropa und Russland, die die Sicherheitslage durch die Ausweitung gemeinsamer Interessen stabilisierte, wobei das gegenseitige politische Vertrauen fragil war. Aus diesem Grund war sie Washington stets ein 'Dorn im Auge'. Mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines wurde die einzige verbliebene Brücke zur Schaffung gemeinsamer Sicherheit in Europa zerstört – was bedeutet, dass die westeuropäischen Länder am Scheideweg des Russland-Ukraine-Konflikts in eine enge Bindung an die USA gezwungen wurden. Hersh erwähnte in seinem jüngsten Bericht auch, dass "Deutschland und der Rest Westeuropas von günstigem, von Russland geliefertem Erdgas abhängig werden würden – während die Abhängigkeit Europas von Amerika abnimmt." Dies ist wohl der Hauptgrund, warum Washington beschlossen hat, die Pipelines zu sprengen. Der Angriff und die Zerstörung wichtiger ziviler Infrastrukturen ist ein terroristischer Akt, der nicht toleriert werden darf. Dies ist in der internationalen Gemeinschaft unumstritten. Nach der Explosion haben viele Länder die Tat öffentlich verurteilt, und auch der US-Aussenminister Antony Blinken erklärte, dass Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines "in niemandes Interesse" sei. In einer etwas gerechteren Weltordnung wäre es selbstverständlich gewesen, ein gemeinsames Ermittlungsteam einzusetzen, um so schnell wie möglich die Wahrheit herauszufinden, die Täter zu ermitteln und sie zu bestrafen. Doch wie erwartet blockieren einige Länder eine solche internationale Untersuchung, und seither sind mehr als fünf Monate vergangen, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten kam. Hershs Bericht liefert zumindest einen wichtigen Hinweis auf die internationale Untersuchung. Die westlichen Medien, die immer behaupten, "professionell" und "unabhängig" zu sein, sind selektiv blind gegenüber Hershs Enthüllungen und berichten lediglich über Dementis der US-Regierung oder verlieren sich in Wortklaubereien, ob Details aus Hershs Bericht stimmen können. Verglichen mit dem einhelligen Fingerzeig auf Russland nach der Explosion zeigt dieses ungewöhnliche Schweigen, dass unsere Medien sehr genau wissen, wann sie sich in Szene setzen oder zurückhalten sollen. Eine Vielzahl von Fakten zeigt, dass die USA der verdiente Spitzenreiter in der „Doppelmoral-Disziplin" sind. Sie sind besessen und gut darin, Gerüchte zu fabrizieren oder grundlose Anschuldigungen gegen andere zu erheben. Aber sie werden niemals ihre eigenen Fehler oder gar Verbrechen zugeben, selbst wenn die Beweise stichhaltig sind und ihre Vertreter die Verbrechen öffentlich angekündigt haben. Stattdessen gibt sie anderen die Schuld, um sich selbst als moralische Sieger darzustellen. Doch wie bei den anderen wichtigen Artikeln von Simon Hersh wird es auch hier nicht lange dauern, bis ihre Richtigkeit bestätigt werden wird. Bis dahin sollte man nicht überrascht sein, wenn beide Parteien behaupten, den Krieg gewonnen zu haben. Werden die Menschen in Zukunft auf diese Zeit der Geschichte zurückblicken, werden sie auf jeden Fall Hershs Linien folgen.

Durchbruch für die Kernfusion? Dezember 2022

Das National Ignition Facility, kurz NIF, meldet einen Durchbruch auf dem Weg zu sauberer Energie mittels Kernfusion: Erstmals wurde mehr Energie aus der Fusion gewonnen als mit einem Laserimpuls auf das Target geschossen wurde. Wie ist dieser Durchbruch zu beurteilen? In der theoretischen Bilanz, also ohne die Wirkungsgrade aller Umwandlungen von Strom in Laserlicht in Wärme in Strom zu berücksichtigen, stehen 2.05 Megajoule Laserenergie-Eintrag einem Fusionsenergie-Austrag von 3.15 Megajoule gegenüber. Um den Netto-Energiegewinn von 1.1 Megajoule zu erzielen, verwendeten die US-Wissenschaftler ein fussballfeldgrosses Lasersystem, um einen kurzen Impuls aus 192 Laserstrahlen auf das erbsengrosse Brennstoffpellet zu richten. Anders als Wendelstein 7X oder ITER strebt dieses Experiment aber keinen dauerhaften Betrieb an; Das Konzept ist so gesehen grundsätzlich nicht für eine Stromproduktion geeignet. Doch wes’ Kind ist das NIF? Das NIF ist ein Labor des ‚Weapons and Complex Integration‘, kurz WCI. Auf der Website heisst es: "Das WCI nutzt die NIF, um das Verständnis grundlegender nuklearer Prozesse und der Leistungsfähigkeit von Kernwaffen zu verbessern. Das NIF ist die einzige Anlage, die kontrollierte, experimentelle Studien zum thermonuklearen Abbrand durchführen kann, dem Phänomen, das die immense Energie moderner Kernwaffen erzeugt. Sie bietet einen beispiellosen experimentellen Zugang zur Physik von Kernwaffen. Die Daten aus den NIF-Experimenten ergänzen die Tests in anderen Versuchsanlagen in Livermore und anderswo. Diese experimentellen Daten tragen dazu bei, hochentwickelte dreidimensionale Waffensimulations-Computercodes zu informieren und zu validieren und ein umfassenderes Verständnis der wichtigen Waffenphysik zu erlangen.“ Riesige Bilanzüberschüsse gibt seit ‚Ivy Mike‘, der ersten Wasserstoffbombe. Sie wurde im Oktober 1952, also vor mehr als siebzig Jahren, gezündet. Fusion auf der Basis von Impulsen – das ist nichts Neues. Das von den USA durchgeführte Experiment zur lasergesteuerten Kernfusion dient der Erforschung der physikalischen Grundlagen von Kernwaffen. Wenn dieses Geld in zivile Projekte gesteckt würde, ginge es allen auf der Welt besser. Wir hoffen, dass Erkenntnisse daraus auch für eine friedliche Nutzung der Fusionsenergie abfallen. Wenn die internationalen Experimente am ITER oder auch bei vielversprechenden Start-Ups wie zum Beispiel bei Generalfusion um Michael Laberge solche Meldungen machen, freuen wir uns dann wirklich. Illustration aus Wikipedia…

Unehrlich verhandeln Dezember 2022

Angela Merkel wurde in Interviews mit 'Die Zeit' und dem 'Spiegel' zu den Minsker Vereinbarungen und ihrer Rolle in den Verhandlungen befragt. Ihre Aussagen werfen Fragen hinsichtlich der Vertrauensbasis für einen möglichen Frieden auf. Wie weit sind Politiker bereit zu gehen, wenn sie von eigenen Überzeugungen und politischen Interessen geleitet werden? Von der Förderung der Minsker Vereinbarungen bis hin zur Dynamik des andauernden Konflikts zwischen Moskau und Kiew zeigt sich, dass der Westen eine Strategie der Eindämmung gegenüber Russland verfolgte. Dabei wurden explizite und implizite Verzögerungstaktiken genutzt, um geopolitische Vorteile zu erlangen. Russland wurde vom Westen nie als gleichwertiger Dialogpartner betrachtet. In einem Interview mit der deutschen Zeitung 'Die Zeit' gab die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel Einblicke in die westliche Strategie hinter den Verhandlungen mit Russland und der Ukraine im Jahr 2014. Sie erklärte, dass die Minsker Vereinbarungen primär dazu dienten, der Ukraine Zeit zur Stärkung ihrer Position zu verschaffen. Der russische Präsident Wladimir Putin reagierte darauf mit Enttäuschung und bezeichnete Merkels Aussagen als "unerwartet". Laut der 'Neuen Zürcher Zeitung' fühlte sich Putin nach den Minsker Vereinbarungen vom Westen getäuscht. "Es stellte sich heraus, dass niemand die Vereinbarungen wirklich umsetzen wollte", sagte er. Die Minsker Vereinbarungen wurden offiziell mit dem Ziel geschlossen, die Ukraine-Krise zu entschärfen und eine Eskalation zu verhindern. Merkels Eingeständnis zeigt jedoch, dass sie von westlichen Staaten vorrangig als taktisches Instrument betrachtet wurden. Es deutet darauf hin, dass eine ernsthafte diplomatische Lösung mit Russland nicht im Fokus stand. Diese Enthüllungen beeinflussen das ohnehin fragile Vertrauensverhältnis zwischen Russland und dem Westen. In Teilen der westlichen Welt wird Russland als politischer und diplomatischer Herausforderer betrachtet. Zugleich sehen einige Länder unter dem Einfluss Washingtons Russland als Bedrohung, insbesondere aufgrund seiner militärischen Kapazitäten und seines politischen Systems, das von westlichen Standards abweicht. Seit dem Zerfall der Sowjetunion gab es daher fortlaufende Spannungen zwischen dem Westen und Russland. Russland selbst hat sich stets als Teil Europas gesehen und Bemühungen unternommen, stabile Beziehungen zum Westen aufzubauen. Vor diesem Hintergrund erklärte Putin seine Enttäuschung über Merkels Worte, die er als Bestätigung eines lang gehegten Misstrauens wertete. Das Vertrauen zwischen Russland und dem Westen hat mittlerweile einen neuen Tiefpunkt erreicht. Experten weisen darauf hin, dass die fortgesetzte diplomatische Zurückhaltung Moskaus darauf zurückzuführen sei, dass es kaum noch Anzeichen für einen konstruktiven Dialog gebe. "Die Vertrauensfrage steht nun im Mittelpunkt, und das Vertrauen ist nahezu bei Null", so Putin. Merkels Aussagen lassen zudem Zweifel an der Verbindlichkeit westlicher Vertragsverpflichtungen aufkommen. Insbesondere die USA verfolgen oft einen pragmatischen Ansatz in internationalen Abkommen: Sie unterstützen Vereinbarungen, solange diese ihren Interessen dienen, ziehen sich jedoch zurück, wenn sie sich nachteilig auswirken. Beispiele dafür sind der Rückzug aus dem ABM-Vertrag sowie dem INF-Vertrag. Auch in Bezug auf ihre Verbündeten legen die USA unterschiedliche Maßstäbe an. Die USA und einige ihrer westlichen Partner geraten zunehmend in den Ruf, Vereinbarungen flexibel auszulegen oder zu brechen, wenn dies ihren geopolitischen Zielen entspricht. Kritiker argumentieren, dass Washington durch seine dominierende Stellung innerhalb westlicher Strukturen andere Staaten beeinflusst und eine internationale Ordnung nach eigenen Vorstellungen aufrechterhält. Es ist absehbar, dass westliche Staaten weiterhin ihre Werte als Argument für ihre geopolitischen Strategien nutzen werden. Solange jedoch Machtpolitik das diplomatische Handeln bestimmt, bleibt die Vision einer gerechten internationalen Ordnung in weiter Ferne. Nachtrag, Januar 2025 Nachhaltige Verhandlungen erfordern gegenseitiges Vertrauen und beidseitigen Nutzen. Doch die aktuellen geopolitischen Entwicklungen zeigen, dass dieses Fundament weiter erodiert. Die USA setzen weiterhin auf ihre dominante Rolle, und europäische Staaten passen sich dieser Strategie an. Ein echter Dialog auf Augenhöhe scheint damit in weiter Ferne.

Hotelfachschule Qaqortoq, Grönland Dezember 2022

Ein richtig schönes Projekt an einem sehr schönen Ort. Es ist aus der Corona-Zeit gewachsen. Wir glauben, dass der Tourismus in Grönland den Fischfang als wichtigste Branche ablösen wird. Umso wichtiger ist, dass er sich gut und bewusst entwickelt – schliesslich sind alle Landschaften Grönlands sehr empfindlich und dürfen nur mit grösster Umsicht bereist werden. Die Natur entwickelt sich aufgrund der tiefen Temperaturen sehr langsam. Dem muss Tourismus Sorge tragen.

Weitermachen September 2022

Ein grosser Teil der Corona-Krise ist die Stimmung, der wir uns hingeben. Lassen wir uns nicht hinabziehen! Wir bauen weiter und lassen die Zukunft nicht entgleiten. Wenn wir etwas erschaffen, bringen wir damit den Tatbeweis, dass wir an eine positive Zukunft glauben. Nachtrag im Januar 2025 Gleich' git immer noch! Die Krisen wechseln sich ab. Wir bleiben einfach länger da als die Krise.

The Glorious Land PJ Harvey and Gordon Matthew Sumner, on Apple Music

How is our glorious country ploughed? Not by iron ploughs Our land is ploughed by tanks and feet, Feet Marching Oh, America Oh, England How is our glorious country sown? Not with wheat and corn. How is our glorious land bestowed? What is the glorious fruit of our land? Its fruit is deformed children. What is the glorious fruit of our land? Its fruit is orphaned children.

Wie man zum Krieg kommt 21. Februar 2022

Hermann Göring, kurz vor seinem Selbstmord 1946 vom amerikanischen Journalisten Gustave Gilbert befragt, sagt: 'Natürlich, das einfache Volk will keinen Krieg […] Aber schliesslich sind es die Führer eines Landes, die die Politik bestimmen, und es ist immer leicht, das Volk zum Mitmachen zu bringen, ob es sich nun um eine Demokratie, eine faschistische Diktatur, um ein Parlament oder eine kommunistische Diktatur handelt. […] Das ist ganz einfach. Man braucht nichts weiter zu tun, als dem Volk zu sagen, es würde angegriffen, und den Pazifisten ihren Mangel an Patriotismus vorzuwerfen und zu behaupten, sie brächten das Land in Gefahr. Diese Methode funktioniert in jedem Land.'

Preussisch Blau Dezember 2021

Chemische Friedenssicherung mit CO₂-Vermeidung Die hohen Energie- und Leistungsdichten, die bei Akkus für Autos und Mobiltelefone gefragt sind, werden heute mit Lithium-Ionen-Batterien (LIB) erreicht. Lithium wurde in den letzten Jahren zu einem strategisch wichtigen Rohstoff. Die Steuerung der Fördermengen des zunehmend raren Metalles unterliegen ähnlichen Kriterien wie Erdöl. Positiv formuliert möchte man die Lagerstätten möglichst lange erhalten, keinen Preiszerfall durch gegenseitige Konkurrenz (Race to the bottom) und soviel Lithium auf dem Markt, dass es knapp nicht attraktiv ist, Technologien, die auf anderen Materialien basieren, zu erschliessen. Es gibt zahlreiche Typen von LIB, die sich in der Materialzusammensetzung der einzelnen Batterie-Bestandteile unterscheiden. Im Akku des Tesla Modell 3, welcher in China gefertigt wird, kommt beispielsweise eine Lithium-Eisen-Phosphat (LFP) Legierung zum Einsatz. Gegenüber Lithium-Kobalt-Nickel-Mangan-Legierungen ermöglichen LFP-Kathoden zwar geringere Leistungsdichten, sie sind aber günstiger, weniger gefährlich, thermisch unempfindlicher und benötigen weniger Rohstoffe aus Krisengebieten – vor allem aber entsteht durch ihre Herstellung weniger CO₂. Soweit, so gut. Werden LIB sich noch weiter entwickeln? Ja bestimmt, aber der Aufwand für Verbesserungen dieser gereiften Technologie wird immer grösser. Grössere Schritte sind eher nicht zu erwarten. Wir glauben, dass schon die nahe Zukunft der Elektromobilität einer anderen Technologie gehört: Natrium-Ionen-Batterien (NIB). Während europäische Hersteller die Versorgung mit strategischen Rohstoffen wie Lithium, Kobalt, Nickel und Kupfer zu sichern versuchen, kommen die NIB ganz ohne sie aus und sind nur schon deshalb viel umweltfreundlicher. Preussisch Blau, welches mit Natrium versetzt zu Preussisch Weiss wird, ist eine der ältesten industriellen Chemikalien und kann in einem einfachen wässrigen Prozess aus Steinsalz mit vergleichsweise wenig Energie hergestellt werden. In der Rohstoffgewinnung stehen einem Kilogramm Steinsalz bezüglich Batterietechnologie 130 kg Lithiumerz gegenüber! Die Energiebilanz einer solchen Batterie, als auch das Preis-Leistungs-Verhältnis übertrifft alle anderen heutigen Technologien. Und schliesslich kann Steinsalz nicht zu einem strategischen Material werden, weil es schlicht und einfach beliebig viel davon gibt. Europäische Firmen wie Faradion (UK) oder Altris (SE) haben wesentlich zu Entwicklung von NIB beigetragen. Während sie im Westen (Europa, USA) kaum Investoren oder staatliche Unterstützung fanden, werden sie in China mit offenen Armen angenommen. Mit CATL (CN) hat der weltgrösste Akkuhersteller nun die Produktion im grossindustriellen Massstab aufgenommen. Das wird helfen, günstig und umweltfreundlich den motorisierten Individualverkehr Chinas umzustellen. Sämtliche neu gebauten Batteriefabriken in Europa (Stand Ende 2021) sind immer noch auf dem Lithium/ Nickel/Kobalt-Trip (nicht mal LFP), weil sich die hiesige Industrie nicht vom Gedanken lösen kann, dass Elektromobiliät vor allem ein Premium-Segment mit höchsten Ansprüchen bedienen soll.

Evidenz / Invidenz Mai 2021

Dem Wort liegt die lateinische ‚evidentia‘ zugrunde und dieser wiederum das Wort ‚videre‘, also sehen. Die Silbe e- nehme ich an, ist kurz für ex, also ‚heraus‘. Etwas heraussehen, ein Zusammenhang, eine Klärung, eine unzweifelhafte Erkennung eines Umstandes. Von Evidenz wird erwartet, dass sie sich einem erschliesst ohne weiteres Zutun. Das ist schön und praktisch, wenn man eine Theorie machen will, um etwas zu erklären. Schöpfung aber ist nicht evident. Aus 0 wird 1. Es wird etwas herbeigesehen, was da noch nicht ist. Das wäre mein Antagonist für Evidenz: Invidenz. Das zu sehen, was noch nicht ist. Dabei verlässt man sich nicht auf Eindeutiges, sondern auf alles Andere.

893 Kalorien pro Tag Mai 2021

Bei durchschnittlicher Aktivität benötigt der Mensch knapp 3000 Kalorien pro Tag. Im Januar 2008 wurde im Rahmen verschärfter Blockaden Israels berechnet, dass jedem Bewohner des Gaza Streifens 2279 tägliche Kalorien zustehen sollten, um Unterernährung und damit einhergehend Hunger zu verhindern. Im zur Berechnung beigezogenen Warenkorb (hier nachzulesen) sollten, auf Basis geheimer Richtlinien, humanitäre Notwendigkeiten zugelassen und 'nicht essentielle Luxusgüter' weglassen werden. Seine verwirrende, laufend wechselnde Auslegung aber – zum Beispiel wurde gefrorener Lachs und fettarmer Joghurt toleriert, Instantkaffee und Koriander nicht – verhinderte eine kontinuierliche Ernährung und sinnvolle Planung. Weiter wurden Berechnungen angestellt, wie viele Lastwagen den Todesstreifen täglich passieren dürften. Bei den damals 1.5 Mio. Einwohnern hätte dies bedeutet, dass diese Kalorienmenge durch täglich 170 Lastwagenlieferungen hätte gewährleistet werden sollen. Durchschnittlich wurden aber nur 67 Lastwagen durchgelassen (hier nachzulesen), mit der Begründung, dass laut einer grosszügigen Berechnungsbasis in Gaza ja auch Lebensmittel hätten angepflanzt werden können. Ich weiss nicht, ob andere Lieferungen des täglichen Bedarfs wie Ersatzteile und Baumaterial, in diesen 67 Lastwagen eingeschlossen waren. Im besten Fall entspricht das 893 Kalorien pro Tag. Erinnern wir uns, dass Gaza einer der am dichtesten besiedelte Teil ist der Erde. Auf 360 km² drängen sich heute zwei Millionen Menschen. Zugang zu Elektrizität gibt es täglich zwei Stunden. Zugang zu sauberem Wasser gibt es nicht. Äcker gibt es kaum, ihre Bewirtschaftung ist gefährlich, u.a. wegen der Selbstschussanlagen. Oben drauf kommt, dass die Ernte durch den Einsatz von Herbiziden aus der Luft verhindert wird (hier nachzulesen). Heute leben in Gaza knapp zwei Millionen Menschen. Die Blockaden sind strenger denn je. Ihr Leben ist wenig wert. Ihre Toten zählen kaum. Ihre kleinsten Kinder stehen schon unter dem Verdacht, Terroristen zu sein. Berichte über Gaza in unseren Medien beginnen immer erst mit den Raketen, die von dort aus abgefeuert werden. Wes dieser verzweifelten Reaktion vorausging, wird verschwiegen. Nicht mal das unmittelbare wird gezeigt. Wer gegen diese Politik Israels spricht, wird sofort als Antisemit verschrien. Ich habe versucht, diesen kurzen Text so objektiv wie möglich zu verfassen, um nicht als Antisemit bezeichnet zu werden.