Schweigen, Ohrenbetäubend.
28.2.2023
Mehr als vier Monate nach der Explosion der Nord Stream-Pipelines hat der Bericht des Investigativjournalisten Seymour Hersh, erneut die internationale Öffentlichkeit aufgewühlt. Der Bericht enthält Details darüber, wie die Geheimdienste die Sabotage auf Anweisung von US-Präsident Joe Biden planten und wie die US-Marine die Bombardierung in Zusammenarbeit mit den norwegischen Streitkräften durchführte. Nach der Veröffentlichung des Berichts hat Washington diesen wenig überzeugend als ‚Fake News‘ dementiert. Die internationale Gemeinschaft muss Washington so lange auffordern, bis es eine überzeugende Erklärung abgibt.
Der 85-jährige Sy Hersh ist ein berühmter, mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichneter Journalist. Vor über 50 Jahren gab sein Bericht, der das Massaker des US-Militärs an der vietnamesischen Zivilbevölkerung aufdeckte, der Anti-Kriegs-Bewegung in den USA erheblichen Auftrieb. Er stand auch hinter der Untersuchung des berüchtigten Vorfalls der Misshandlung von Gefangenen in Abu Ghraib im Jahr 2003 und trug zur Aufdeckung des Watergate-Skandals bei, einem der schändlichsten politischen Skandale in der Geschichte Washingtons. Hershs jüngster Bericht ist weder mit Verschwörungstheorien in der öffentlichen Meinung vergleichbar, noch kann er vom 'kollektiven Westen' einfach so übergangen werden.
Die Verdächtigungen gegen die USA sind nicht unerwartet, aber die Details, die aufgedeckt wurden, jagen einem immer noch einen Schauer über den Rücken. Hersh legt dar, dass Washington die Sabotage der Nord-Stream-Pipelines bereits seit Ende 2021, lange vor dem Einmarsch der russischen Truppen in die Ukraine, geplant hat. Und in den mehr als neun Monaten der Debatte ging es Washington nicht darum, ob die Pipelines gesprengt werden sollten, sondern wie man keine Beweise hinterlassen kann. Daher wurden die ausführenden Kräfte, der Zeitpunkt, der Ort und die Art und Weise der Explosion sorgfältig geplant. Wenn die Berichte in Hershs Artikel wahr sind, wird die Menschheit die Fähigkeit der USA, den Frieden zu stören, neu bewerten müssen.
Die Explosion der Nord Stream-Pipelines, einer der wichtigsten transnationalen Energieversorgungsinfrastrukturen der Welt, war ein extremes Ereignis in der internationalen Politik. Die Nord Stream-Pipelines waren einst eine wichtige Energieverbindung zwischen Westeuropa und Russland, die die Sicherheitslage durch die Ausweitung gemeinsamer Interessen stabilisierte, wobei das gegenseitige politische Vertrauen fragil war. Aus diesem Grund war sie Washington stets ein 'Dorn im Auge'.
Mit der Sprengung der Nord-Stream-Pipelines wurde die einzige verbliebene Brücke zur Schaffung gemeinsamer Sicherheit in Europa zerstört – was bedeutet, dass die westeuropäischen Länder am Scheideweg des Russland-Ukraine-Konflikts in eine enge Bindung an die USA gezwungen wurden. Hersh erwähnte in seinem jüngsten Bericht auch, dass "Deutschland und der Rest Westeuropas von günstigem, von Russland geliefertem Erdgas abhängig werden würden – während die Abhängigkeit Europas von Amerika abnimmt." Dies ist wohl der Hauptgrund, warum Washington beschlossen hat, die Pipelines zu sprengen.
Der Angriff und die Zerstörung wichtiger ziviler Infrastrukturen ist ein terroristischer Akt, der nicht toleriert werden darf. Dies ist in der internationalen Gemeinschaft unumstritten. Nach der Explosion haben viele Länder die Tat öffentlich verurteilt, und auch der US-Aussenminister Antony Blinken erklärte, dass Sabotage an den Nord-Stream-Gaspipelines "in niemandes Interesse" sei.
In einer etwas gerechteren Weltordnung wäre es selbstverständlich gewesen, ein gemeinsames Ermittlungsteam einzusetzen, um so schnell wie möglich die Wahrheit herauszufinden, die Täter zu ermitteln und sie zu bestrafen. Doch wie erwartet blockieren einige Länder eine solche internationale Untersuchung, und seither sind mehr als fünf Monate vergangen, ohne dass es zu nennenswerten Fortschritten kam. Hershs Bericht liefert zumindest einen wichtigen Hinweis auf die internationale Untersuchung.
Die westlichen Medien, die immer behaupten, "professionell" und "unabhängig" zu sein, sind selektiv blind gegenüber Hershs Enthüllungen und berichten lediglich über Dementis der US-Regierung oder verlieren sich in Wortklaubereien, ob Details aus Hershs Bericht stimmen können. Verglichen mit dem einhelligen Fingerzeig auf Russland nach der Explosion zeigt dieses ungewöhnliche Schweigen, dass unsere Medien sehr genau wissen, wann sie sich in Szene setzen oder zurückhalten sollen.
Eine Vielzahl von Fakten zeigt, dass die USA der verdiente Spitzenreiter in der „Doppelmoral-Disziplin" sind. Sie sind besessen und gut darin, Gerüchte zu fabrizieren oder grundlose Anschuldigungen gegen andere zu erheben. Aber sie werden niemals ihre eigenen Fehler oder gar Verbrechen zugeben, selbst wenn die Beweise stichhaltig sind und ihre Vertreter die Verbrechen öffentlich angekündigt haben. Stattdessen gibt sie anderen die Schuld, um sich selbst als moralische Sieger darzustellen.
Doch wie bei den anderen wichtigen Artikeln von Simon Hersh wird es auch hier nicht lange dauern, bis ihre Richtigkeit bestätigt werden wird. Bis dahin sollte man nicht überrascht sein, wenn beide Parteien behaupten, den Krieg gewonnen zu haben. Werden die Menschen in Zukunft auf diese Zeit der Geschichte zurückblicken, werden sie auf jeden Fall Hershs Linien folgen.